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Ständerat will Debatte über mögliche Verwahrung von Jugendlichen

Sollen jugendliche Straftäter in Zukunft verwahrt werden können? Der Ständerat hat sich in der Frühjahrssession 2023 für eine entsprechende Debatte ausgesprochen und stellt sich damit gegen die Empfehlung seiner Rechtskommission.

Zwischen 2012 und 2020 wurden in der Schweiz zwölf Jugendliche wegen Mordes verurteilt. Bei den meisten von ihnen bestand zum Entlassungszeitpunkt keine grössere Gefahr mehr für Dritte. Nur vereinzelt mussten Jugendliche nach Ablauf ihres Freiheitsentzugs in einer geschlossenen Einrichtung bleiben.


Im November 2022 forderte der Bundesrat, dass bei Jugendlichen, die das 16. Altersjahr vollendet und einen Mord begangen haben, künftig direkt eine Verwahrung angeordnet werden kann, sofern ernsthafte Rückfallgefahr besteht. Der Ständerat hat sich in der Frühjahrssession für eine entsprechende Debatte im Parlament ausgesprochen, obwohl die ständerätliche Rechtskommission die Vorlage zur Ablehnung empfahl. Die Kommission wies darauf hin, dass die Schweiz über ein sehr gut funktionierendes Jugendstrafrecht verfüge und mit den gesetzlich vorgesehenen Schutzmassnahmen der allergrösste Teil der jugendlichen Täterinnen und Täter reintegriert werden könne, so dass danach keine Gefahr für weitere Straftaten mehr bestehe. Eine Anpassung des Gesetzes aufgrund einzelner Ausnahmefälle sei nicht verhältnismässig. Eine Minderheit beantragte ihrem Rat Eintreten auf die Vorlage und betonte, dass der Bundesrat eine sehr ausgewogene Lösung vorschlage.


Der Entscheid des Ständerates stösst bei Expertinnen und Experten auf Unverständnis. Da die Hirnentwicklung bei Jugendlichen noch nicht abgeschlossen sei, sind Voraussagen bezüglich Gefährlichkeit und Rückfallrisiken junger Straftäter schwierig. Auch Kinderrechtsorganisationen sehen Verwahrung von jugendlichen Straftätern und Straftäterinnen kritisch. Die vorgeschlagene Änderung im Jugendstrafgesetz würde den Grundgedanken der UN-Kinderrechtskonvention und des Jugendstrafrechts zu wider laufen. Ziel und Zweck des Jugendstrafgesetzes ist die Resozialisierung der jungen Menschen. Dabei steht im Gegensatz zum Erwachsenenstrafrecht nicht die Tat, sondern der Täter oder die Täterin im Fokus.


Als Nächstes berät der Nationalrat die Vorlage.


22.071 Geschäft des Bundesrates, Strafgesetzbuch und Jugendstrafgesetz. Änderung
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