Netzwerk Kinderrechte Schweiz

Überprüfung der Schweiz durch den UN-Kinderrechtsausschuss

Gewalt in der Familie, Cybermobbing, Kinderarmut, zunehmende psychische Belastungen – all das gehört leider auch in der Schweiz zum Alltag von Kindern und Jugendlichen. Die Umsetzung der Kinderrechte ist nicht selbstverständlich. Den Stellenwert der UN-Kinderrechtskonvention und deren Umsetzung in der Schweiz hat der UN-Kinderrechtsausschuss gestern geprüft.

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtsausschuss) hat am 20. September 2021 die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) und der beiden ergänzenden Fakultativprotokolle in der Schweiz überprüft. Vertreter*innen von Bund und Kantonen standen dem Ausschuss während der ganztägigen Anhörung zu über 50 Problemfeldern Rede und Antwort.


Zahlreiche Lücken in der Umsetzung der Kinderrechte

Thema der Anhörung war unter anderem die ungenügende Datenlage in der Schweiz zu zentralen Themen: beispielsweise zum Vorkommen von Kindsmisshandlungen in der Schweiz, aber auch zur Anzahl Kindern, die in Institutionen oder in Pflegefamilien aufwachsen. Im Fokus des UN-Ausschusses standen zudem die Prävention von Gewalt und Unterstützungsangebote für Familien. Auch die Lücken in der psychiatrischen Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen – durch die Pandemie nochmals verschärft – war ein wichtiges Thema. Kritisch zeigte sich der UN-Ausschuss zudem beim Zugang von Kindern mit einer Behinderung zu einer inklusiven Schule und hielt fest, dass ein integratives Schulsystem den Anforderungen der Inklusion nicht genügt. In Bezug auf minderjährige geflüchtete Kinder fragte der UN-Ausschuss nach den grossen kantonalen Unterschieden in Bezug auf Zugang zu Regelschulklassen, Unterbringungsstandards und Betreuungsangeboten. Ausserdem erinnerte der UN-Ausschuss die Schweiz daran, dass sie bei Zweifeln immer verpflichtet ist, eine umfassende Altersschätzung vorzunehmen und diese immer von Fachpersonen durchführen zu lassen – denn die UN-KRK garantiert Minderjährigen einen besonderen Schutz.

Der UN-Ausschuss überprüfte weiter den Umsetzungsstand der beiden Fakultativprotokolle zur UN-KRK betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten sowie betreffend Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie. Der UN-Ausschuss wollte beispielsweise wissen, was die Schweiz tut, um Kinder, die an bewaffneten Konflikten teilgenommen haben, zu identifizieren und zu reintegrieren und erinnerte die Regierungsdelegation daran, dass dies bereits zum Zeitpunkt der Einreise in die Schweiz erfolgen muss, um diese oftmals traumatisierten Kinder zu schützen.


Koordiniertes Handeln notwendig

Die Anhörung zeigt, dass ein koordiniertes Handeln von Bund und Kantonen notwendig ist, um die zahlreichen Lücken in der Umsetzung der Kinderrechte zu schliessen – u.a. in Bezug auf den Schutz vor Gewalt, die kinderpsychiatrische Versorgung, die kindgerechte Justiz, bürgerliche und politische Rechte von Kindern und im Bereich der Migration. Zudem ist es entscheidend, dass die notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden, um diese Lücken zu schliessen und um Fachpersonen, die mit und für Kinder arbeiten, für Kinderrechte zu sensibilisieren und zu schulen.

Die Überprüfung der Schweiz durch den UN-Ausschuss ist die Grundlage für Empfehlungen an die Schweiz zur vollständigen Verwirklichung der Kinderrechte. Der UN-Kinderrechtsausschuss wird diese voraussichtlich im Oktober 2021 verabschieden.


Zivilgesellschaftliches Engagement

Das Netzwerk Kinderrechte Schweiz begleitet als Stimme von über 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen die Staatenüberprüfung der Schweiz. Das Netzwerk hat im Juni 2021 einen alternativen NGO-Bericht beim UN-Kinderrechtsausschuss eingereicht, der die Sichtweise der Zivilgesellschaft auf die Umsetzung der Kinderrechte in der Schweiz wiedergibt. Erstmals in der Schweiz waren dabei Kinder und Jugendliche in Form eines «Kinder- und Jugendberichts» im Verfahren beteiligt. Der UN-Kinderrechtsausschuss hörte im Juni 2021 zudem Vertreter*innen der Zivilgesellschaft sowie Kinder und Jugendliche aus der Schweiz direkt an.


Weitere Informationen:

Die Staatenanhörung der Schweiz kann im UN Web TV nachgeschaut werden.

Informationen zum NGO-Bericht und zum Kinder- und Jugendbericht.

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