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Polizeigesetz gegen Terrorismus: Missachtung von Kindeswohl und Kinderrechten

Am 13. Juni 2021 stimmen die Schweizer Stimmberechtigten über das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) ab. Das neue Polizeigesetz erlaubt dem Bundesamt für Polizei (fedpol), Zwangsmassnahmen gegen Personen und selbst gegen Kinder einzusetzen: einzig aufgrund der Annahme, diese könnten in Zukunft gefährlich werden.

Die Massnahmen wie elektronische Fussfesseln oder Reiseverbot soll die fedpol eigenmächtig anordnen dürfen, ohne Tatverdacht oder rechtliches Verfahren. Die im Gesetz enthaltenen vagen Begriffe und der Handlungsspielraum, der fedpol gewährt wird, gefährden die Grund- und Menschenrechte in der Schweiz.


Die Zwangsmassnahmen können gegen Kinder ab 12 Jahren eingesetzt werden und bzw. ab 15 bei Hausarrest) eingesetzt werden. Diese tiefen Altersgrenzen stehen im Konflikt mit dem Schweizer Jugendstrafrecht und den menschenrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz, die sich aus der UNO-Kinderrechtskonvention ergeben. Während das Jugendstrafrecht und das Völkerrecht der sozialen Wiedereingliederung den Vorrang einräumen, haben die Zwangsmassnahmen im Polizeigesetz einen strafenden Charakter und die Stigmatisierung von Kindern und Jugendlichen zur Folge. Erschwerend kommt dazu, dass das Gesetz den Minderjährigen, die den polizeilichen Massnahmen unterstehen, keine besonderen Verfahrensrechte einräumt.


Auszug aus der rechtlichen Analyse von Amnesty International

  • Gemäss Kinderrechtskonvention sollten sich alle Massnahmen, welche Personen betreffen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, am «Kindeswohl» orientieren (Art 3 Abs. 1 KRK). Bezüglich des Kindeswohlprinzips hat der Ausschuss für die Rechte des Kindes unterstrichen, dass «Schutz und Betreuung» gewährt werden sollten, die das «Wohlergehen und die Entwicklung des Kindes sicherstellen. Das Wohlergehen von Kindern umfasst in einem ihre grundlegenden materiellen, körperlichen, erzieherischen und emotionalen Bedürfnisse sowie ihre Bedürfnisse nach Zuneigung und Sicherheit» (Allgemeine Bemerkung N°14, Paragraph 71).
  • Die Kinderrechtskonvention sieht auch vor, dass Kinder, die mit dem Recht in Konflikt stehen in einer Weise zu behandeln, die ihr Gefühl «für die eigene Würde und den eigenen Wert» aufbaut, ihre «Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten anderer stärkt», das Kindesalter berücksichtigt und die «soziale Wiedereingliederung sowie die Übernahme einer konstruktiven Rolle in der Gesellschaft» fördert (Art. 40 Abs.1 KRK).
  • Mit der Ratifikation der Kinderrechtskonvention hat die Schweiz sich dazu verpflichtet, im Umgang mit Kindern im Justizsystem der Resozialisierung den Vorrang einzuräumen. Entsprechend hat das Schweizerische Jugendstrafrecht den «Schutz und die Erziehung» von Jugendlichen zum Grundsatz erklärt (Art. 2 Abs. 1 JStG). In diesem Sinne müssen Sanktionen zwar Grenzen setzen, jedoch stets eine erzieherische Wirkung entfalten.
  • Im Widerspruch zu den menschenrechtlichen Vorgaben hat das Polizeigesetz eine Stigmatisierung von Kindern und Jugendlichen zur Folge. Minderjährigen fehlt aufgrund ihres Alters oft die Fähigkeit, die Konsequenzen ihrer Handlungen richtig abzuschätzen – ein Aspekt, der berücksichtigt werden müsste. Der rechtliche Widerspruch verschärft sich insofern weiter, als die Gesetzesvorlage den Minderjährigen unter den polizeilichen Massnahmen keine besonderen Verfahrensrechte zugesteht.
  • Obwohl im Bildungs- und Sozialbereich, im zivilrechtlichen Kindesschutz sowie im (Jugend-)Strafrecht bereits hinreichende präventive Instrumente zur Verfügung stehen, würden die Menschenrechte von Kindern sowie Jugendlichen durch das Polizeigesetz bedingungslos eingeschränkt.


Weitere Informationen:

NGO gegen das Polizeigesetz. Flyer.

Amnesty International, Schweizer Sektion. Argumente.

Amnesty International, Schweizer Sektion. Juristische Analyse.

Website www.nein-polizeigesetz.ch

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