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Leihmutterschaft: Vorrangiges Interesse des Kindes versus ordre public?

Das Bundesgericht hat entschieden, dass der eingetragene Partner des genetischen Vaters eines Kindes, das in Kalifornien durch Leihmutterschaft geboren wurde, sich in der Schweiz nicht als Elternteil registrieren lassen kann.

Es begründet in einer Medienmitteilung seinen Entscheid damit, dass die Anerkennung der amerikanischen Eintragung des Partners als Vater in der Schweiz in grundlegender Weise gegen die rechtlichen und ethischen Werturteile in der Schweiz (Ordre public) verstösst. Sämtliche Arten von Leihmutterschaft sind in der Schweiz auf Verfassungsstufe verboten, argumentiert das Gericht, ebenso lässt das geltende Schweizer Recht die Stiefkindadoption durch eingetragene Partner nicht zu. Dem Kind entstünde durch die verweigerte Eintragung eines zweiten Vaters mit Blick auf sein Recht auf Eltern und Familienleben gemäss Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention keine Rechtsunsicherheit, so das Bundesgericht. Der genetische Vater sei bekannt und aufgrund des Kindesverhältnisses zu ihm sei auch der Aufenthalt des Kindes in der Schweiz und in der betreffenden Familie gesichert.


Im Gegensatz zum Bundesgericht hatte das St.Galler Verwaltungsgericht beide Männer im August 2014 als Väter anerkannt, da die Ausgangslage im Interesse des Kindes und im Interesse einer einheitlichen und klaren Rechtslage eine Anerkennung des Verwandtschaftsverhältnisses verlange. Das Bundesamt für Justiz hatte den Fall dann vor das Bundesgericht weitergezogen.


Die Leihmutterschaft ist ebenfalls ein Thema der Concluding Observations des UN-Kinderrechtsausschuss vom 4. Februar 2015 an die Schweiz. Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die Schweiz Leihmutterschaft verbietet und mit ihren Entscheiden darauf abzielt, Leihmutterschaftsvereinbarungen von Schweizern im Ausland nicht zu fördern. Er zeigte sich jedoch besorgt über den unsicheren Status des Kindes im Zeitraum zwischen der Ankunft des Kindes in der Schweiz und dem Entscheid über die Adoption durch die so genannten „Wunscheltern“. Er empfiehlt, den dafür vorgesehenen Zeitraum von einem Jahr zu verkürzen und dafür zu sorgen, dass das Kind während dieses Zeitraums nicht staatenlos ist und ihm keine sonstigen Nachteile entstehen. Zudem soll die Schweiz sicherstellen, dass das übergeordnete Interesse des Kindes den Entscheid über die Adoption bestimmt (Empfehlungen Nr. 46 und 47).


Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) betont in einer umfassenden Analyse der Leihmutterschaft aus menschenrechtlicher Sicht, dass die Rechte des Kindes im Vordergrund stehen sollten, insbesondere das Recht, seine Abstammung zu kennen (Art. 7 KRK), das Grundprinzip des vorrangigen Kindeswohls in allen Verfahren (Art. 3 KRK), das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben (Art. 7 KRK), sowie Art. 9 KRK nach dem die Trennung zwischen Eltern und Kind nur als letzte Massnahme im Falle einer Gefährdung vorzunehmen ist.


Weiterführende Informationen:


Bericht des Bundesrats zur Leihmutterschaft vom 29. November 2013

Interpellation 14.3742 "Leihmutterschaft" von Jacqueline Fehr

Postulat 15.3501 "Leihmutterschaft. Für eine nationale Sensibilisierungskampagne" der Kommission für Rechtsfragen NR


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