Netzwerk Kinderrechte Schweiz
Datenlage zu Gewalt an Kindern
Nach wie vor gibt es bedeutende Wissenslücken zur allgemeinen Lebenslage von Kindern in der Schweiz und zu kinderrechtlich relevanten Themen – so auch zur Frage, wie viele Kinder von Gewalt betroffen sind. Diese Wissenslücke ist unter anderem darauf zurück zu führen, dass in der Schweiz in erster Linie die Kantone und Gemeinden für den Kindesschutz zuständig sind. Die Datenlage ist daher stark fragmentiert. Dieser Zustand wird unter anderem von Nationalrätin Yvonne Feri bemängelt. Mit ihrem Postulat 19.3119 «Wissen zu Kindeswohlgefährdungen bündeln, damit die Unterstützungsleistung passt» möchte sie den Bundesrat dazu auffordern, eine Analyse darüber zu erstellen, wie Daten zu Gewalt an Kindern, die auf Bundesebene, in den Kantonen und bei Kindesschutzorganisationen vorhanden sind, zu einer Gesamtschau zusammengeführt und systematisch ausgewertet werden können. Anhand dieser Auswertung sollen Lücken erkannt und behoben werden können. Nun legte der Bundesrat einen Bericht zur Beantwortung des Postulats vor.
Der Bericht betont, dass eine schweizweite Statistik über die Situation gewaltbetroffener Kinder nur umsetzbar ist, wenn diese Daten in allen Kantonen nach denselben Vorgaben gesammelt würden. Beispielsweise sei eine gemeinsame Begriffsdefinitionen nötig. Zudem müssten die Daten nach denselben Vorgaben gesammelt und dem Bund zeitgleich und über ein einheitliches elektronisches Datenerhebungstool übermittelt werden. Aktuell besteht jedoch keine entsprechende Verfassungsgrundlage, welche die Kantone dazu verpflichtet Daten dem Bund zu übermitteln. Somit sieht der Bund nicht sich selbst, sondern die Kantone und die SODK in der Verantwortung. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Kantone gar nicht eine zentralisierte Erhebung solcher Daten durchführen. Die Datenlage präsentiert sich somit bereits auf Ebene der einzelnen Kantone als äusserst heterogen, lückenhaft und mit anderen Kantonen kaum vergleichbar.
Der Bundesrat kommt in seinem Bericht daher zum Schluss, dass eine nationale Statistik zu Ausprägungsformen von Gewalt an Kindern zurzeit nur durch ein Zusammentragen und eine Vereinheitlichung von Kindesschutzdaten verschiedenster Beratungsstellen, Organisationen und Behörden möglich sei. Eine gesetzliche Pflicht zur Mitwirkung bestehe jedoch nicht. Der Bundesrat berief sich in seinem Bericht auf die Zuständigkeit der Kantone entsprechende Daten zu sammeln.
Das Netzwerk Kinderrechte Schweiz teilt die Einschätzung des UN-Kinderrechtsausschusses, dass Bund und Kantone ihre Bemühungen verstärken müssen, um Kinder umfassend vor Gewalt zu schützen. Dazu gehört auch eine lückenlose Datenerhebung zur Situation gewaltbetroffener Kinder und Jugendlichen und damit einhergehend eine Harmonisierung der Erhebungsmethoden zu Kinderschutzanliegen. Im Positionspapier «Kinderrechte stärken» fordert das Netzwerk die Entwicklung einer nationalen Strategie und eines nationalen Aktionsplans zur wirksamen Prävention, Bekämpfung und Überwachung aller Formen von Gewalt gegen Kinder und von Missbrauch, darunter sexuelle Gewalt, Mobbing und Gewalt im digitalen Umfeld, und zwar mit Fokus auf Kinder in Situationen, die sich benachteiligend auf sie auswirken.